»Youth in Action« und der Sonntags-Club – es ist wieder passiert! Wer den SC aufmerksam verfolgt, der weiß, dass er im Sommer 2014 Besuch aus Italien und Polen bekommen hat. Je acht Jugendliche aus den beiden Ländern sowie Deutschland hatten sich eine Woche lang hinter den Toren des Sonntags-Club verschanzt und über LGBT*IAQ-Themen diskutiert. Damals sind transnationale Freundschaften entstanden und es wurden Beziehungen zu Partnerorganisationen geknüpft, die an anderen Orten Europas für Menschen einstehen und Rückzugsorte für verschiedene Mitglieder der LGBT*IAQ-Community bieten wollen.
Im Sommer 2015 haben der Sonntags-Club, Cassero aus Bologna, Bez!miar aus Warschau und LGL aus Vilnius erneut Geschichte geschrieben: Im Projekt »Giving an Account to Oneself« sind sich ein giving an account to oneself thema zweites Mal 24 ganz unterschiedliche Menschen aus den vier Nationen begegnet, um in einem 9-tägigen Workshop gemeinsam Kraft, Ideen und Strategien zu entwickeln, um Trans- und Homophobie zugunsten einer inklusiven und bunten europäischen Gemeinschaft entgegen zu wirken.
Am Tag der Ankunft hatten die Teilnehmer*Innen zunächst Gelegenheit, sich beim internationalen Abendessen kennenzulernen. Es wurden Spezialitäten und Köstlichkeiten der jeweiligen Regionen vorgestellt und verkostet und anschließend konnte man sich in der gemütlichen Atmosphäre des Sonntags-Club bereits gegenseitig beschnuppern, bevor am nächsten Morgen die Workshops begannen.
Das Hauptziel des Projekts bestand zunächst darin, den Teilnehmer* Innen in einem geschützten Rahmen die Möglichkeit zu eröffnen, sich frei und sicher über persönliche Erfahrungen und Themen auszutauschen. Zu diesem Zweck wurden zunächst gemeinsame Regeln festgelegt, welche die Struktur des Seminars sowie den Umgang miteinander und mit sensiblen Inhalten und Befindlichkeiten betrafen. Die große Diversität der Gruppe stellte eine Herausforderung dar, die sich jedoch schnell in eine Ressource verwandeln ließ, aus der ein reger Austausch an Ideen und Perspektivwechseln entsprang. Bereits bei den ersten morgendlichen Kennenlernspielen rückte aufgrund der Zusammensetzung der Gruppe das Thema der Gender-Binarität in den Vordergrund und sollte durch die Woche hinweg oft Leitfaden und Kontrastfolie für Diskussionen bleiben.
In der sich anschließenden Projektwoche haben die Teilnehmer*Innen in zahlreichen Workshops mit Hilfe von Stiften, Papier, Plakaten, Schere, Kleber und Körpereinsatz in ganz verschiedenen Methoden und Formen ihr Wissen über Sprache, sexuelle Identitäten und Orientierungen, sexuell übertragbare Krankheiten, die rechtlichen und gesellschaftlichen Umstände, unter denen ihre Geschwister in den anderen europäischen Ländern leben, und die jeweiligen Partnerorganisationen erweitert und vertieft.
Da die Konzipierung des Seminars aber nicht nur die bloße Vermittlung von Wissen beinhaltete, sondern vor allem auch auf die Stärkung der jeweiligen Persönlichkeiten für eine Partizipation am gesellschaftlichen Geschehen abzielte, befassten sich die Teilnehmer* Innen in reflexiven Phasen wie zum Beispiel dem Workshop »Who am I?« auch intensiv mit ihrer eigenen Identität und ihrem Eingebettet-Sein in Kultur und Gesellschaft. Am Ende jedes Projekttages stand stets eine Aktivität zur Evaluation und Dokumentation des eigenen Lernzuwachses, die ein lang anhaltendes Lernen möglich machte.
Alle Teilnehmer*Innen haben ihre ganz persönlichen Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten eingebracht und geteilt. Das war nicht immer leicht und erforderte oft Mut und Bereitschaft zum Zuhören. Aber dank der gemeinsam festgelegten Regeln ist es gelungen, auch durch Momente großer emotionaler Spannung und persönlicher Involviertheit im Dialog zu bleiben. Mit Geduld, Verständnis für die Realität des Gegenübers, Offenheit und Empathie wurden im Perspektivwechsel wertvolle gemeinsame Erfahrungen und Momente erlebt.
Rückblickend lässt sich sicherlich sagen, dass das Projekt »Giving an Account to Oneself« die Teilnehmer*Innen berührt und verändert hat. Neue Freundschaften sind entstanden, die jetzt Menschen quer durch Europa miteinander verbinden. Manche nehmen ein vertieftes Wissen um Zusammenhänge, Modelle und Strukturen zu den angesprochenen Themen mit nach Hause, andere haben Fragen in ihren Koffern, von denen sie vor dem Projekt gar nicht wussten, dass man sie stellen kann, und wieder andere haben Dank der Vielfalt an Methoden und Arbeitsformen eine bessere Vorstellung davon, wie ein Jugendaustausch organisiert, geplant und durchgeführt werden kann. Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass nicht dieselben Menschen nach Hause zurückgekehrt sind, die sich am ersten Projekttag mit Bus, Flugzeug und Bahn auf den Weg nach Berlin gemacht hatten. Die Teilnehmer*Innen konnten erfahren, wie sie in ihrem Kampf gegen Homo- und Transphobie über Ländergrenzen hinweg vereint sind und nahmen dieses Gefühl mit nach Hause. Europa ist ein Stück zusammengewachsen.
Unser besonderer Dank gilt vor allem Mio und Eszter, deren unermüdliche Unterstützung vor, während und nach dem Projekt diese wundervolle Woche erst möglich gemacht hat.
Danke, danke, danke!